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  • Writer's pictureSimon Burkhardt

Im Herrenballet

Wie ich zum semi-professionellen Tänzer wurde

 
Bild: Mein erster Auftritt beim "Flying Saucer Contest 2022"

LiTHe Blås ist das Blasorchester und einer der ca. 130 Studentenvereine am Campus Linköping. Ende Mai werde ich Mitglied im Herrenballett des Orchesters.


Wie es dazu kam

Eigentlich ganz einfach. Mein Klassenkamerad in Data Compression ist Saxophonist im Orchester. In der Prüfungsphase und für die Gruppenarbeit arbeite ich oft mit ihm zusammen. Die Mittagszeit verbringe ich in der, mit schrägem Humor geladenen Atmosphäre des Vereinszimmers in Kårallen. Damit habe ich eine der grössten Challenges geschafft: Schwedische Freunde finden. Deren Ruf ist nämlich vergleichbar mit der Verschlossenheit von Schweizern.

Bild: "Jetzt neu im Kühlregal! Suche Männerballette"

So kommt schnell das Thema auf, ob ich denn nicht auch beitreten wolle. "Ja aber! Ich spiele ja gar kein Instrument..." erkläre ich. "Das macht nix, wir suchen gerade Tänzer fürs Herrenballett" ist die Antwort. Und nein, es ist kein Ballett im klassischen Sinn, und tanzen können muss man auch nicht (siehe Bild oben). Klingt gut, bin ich dabei.

Ich muss also einen möglichst kreativen Antrag schreiben und in den schief hängenden Briefkasten schmeissen. Kreativität ist aber auch die einzige Vorgabe. Man erzählt mir, dass schon eine Anmeldung, anstatt in Papierform, als Nachricht auf ein Sofa gekritzelt neben dem Briefkasten deponiert wurde.

Inspiriert durch die warmen Sonnenstrahlen des Frühlings entscheide ich mich für einen Liebesbrief, passt ja zu den liebenswerten ersten Erfahrungen im Verein. Und ich soll auf jeden Fall meine Adresse drauf schreiben. Nur für den Fall einer brieflichen Absage. Und für die Annahme... "wirst du dann sehen" *Zwinker


 

Die Aufnahme


Es ist der Donnerstag am Ende der Prüfungsphase. LiTHe Blås hat einen Auftritt auf dem Campus, wo ich das Orchester zum ersten Mal erlebe, wie sie Vollgas geben. Unter anderem wird der folgende Song auf deutsch gespielt:


Nichtsahnend gehe ich am Abend zu Bett und erwache um 01:30 zum Geräusch meiner Türklingel. Ganz stabil verpennt kracksle ich aus meinem warmen Bett hinaus auf den Korridor. Ich erblicke eine Frau an der Tür, die ich ohne Brille als meine Kollegin zu identifizieren glaube. Ich öffne ihr die Tür: "are you Simon?" fragt sie schüchtern.

"ööhm, yes?"


Erst jetzt sehe ich neben ihr im Treppenhaus noch 20 weitere Leute in LiTHe Blås Uniform, die mir einen Willkommenssong vorspielen.

Simon! Simon! Simon! He is so good! He is so strong! He can lift himself! Simon! Simon! Simon! We want you in LiTHe Blås!

(auf schwedisch mache der Song mehr Sinn)


So bin ich nun auch dabei und darf jeden Sonntag in die Probe. Beim ersten Mal hiess es dann beim Infoteil auch plötzlich: "Wir haben ein neues Mitglied! Simon. Habt ihr irgendwelche Fragen an Simon".


Und ich bin maximal begeistert von der Qualität der folgenden Fragen:

LiTHe Blås : "Simon, where are you from?"
Simon : "Schweiz"
L : (zustimmend)"Jahaa!" L : "And what do you study?"
S : "Electrical Engineering"
L : (zustimmend) "Ahaaa!" (vereinzelnd) "JAAAA!" L : "If you were a fruit, which fruit would you be and how far could you throw yourself?"
S : "A banana. And approximately 3 times my body length"
L : "ooh, that's a big Banana" L : "If you can choose between bus and airplane, which one do you prefer?"
S : "the airplane"
L : (entäuscht) "awwww"
S : "Jaha, you mean because of the Eurotrip. Well I can do that"
L : "And if you were a dishwasher, which way would you put on your pants? bottom to top or ...."
S : "Well always from east to west
L : (lacht) "Ahaa!"



 

Das LiTHe Blås Orchester



Entspannt, dass ich erst so spät im Artikel erkläre, wer LiTHe Blås überhaupt ist. Das Orchester gibt es seit 1973 und war anscheinend in den 90ern besonders wild. Zitat Wikipedia: "Die Anzahl der Mitglieder ist dadurch begrenzt, wie viele die Möglichkeit haben, in einen normalen Bus ein- oder auszusteigen" - also ungefähr 50. Dies kommt daher, dass der Verein regelmässig auf Tournee im ganzen Land ist. Highlight des Jahres ist die Eurotour, wo das Orchester während 10 Tagen mit mehr oder weniger hohem Alkoholpegel durch Europa taumelt und an Überraschungsorten auftritt bzw. "um gewöhnliche Deutsche mit Musik, Tanz und Spaß zu unterhalten".


Nachfolgend ein Video der ehemaligen (und etwas älteren) Mitglieder von LiTHe Blås in ihrem eigen Verein LiTHe Grås. Den hawaiianischen Hula-Tanz (bei Minute 18:15) haben wir bei meiner ersten Probe einstudiert und ich hoffe, ich darf den auch bald live vortragen.


 

Der Humor


Alle Mitglieder haben einen Spitznamen, wie in der Pfadi. Ich mache den Anfang beim Namen des Chefs vom Herrenballett. Dieser lautet "Kung pung den andra" bzw. "König Skrotum der 2." oder kurz KP2. Ich habe mir auch erzählen lassen, dass sich einige Namen weniger gut eignen, wenn man beispielsweise auf einem Fest in Deutschland spielt und "Hora!" (zu deutsch: Hure) schreien muss, weil man den Kollegen sucht.

Es gibt aber auch anständige Namen wie "Curry", "Kaiser", "Plankton" und "Grisen" (Schwein).


Ein weiteres Detail ist die Hall of Shame, die eigentlich nicht witzig ist, weil darauf tatsächlich Mitglieder verewigt werden, die Schande über den Verein gebracht haben.

Da wäre zum Beispiel der eine, der auf einem deutschen Fest in Orchesteruniform einigen 15 jährigen Mädchen Alkohol geschmuggelt hat. Oder derjenige, der sich bei einem Abendessen in Deutschland mit einem Salut und den Worten "Ich bin Herr Anders von der Gestapo!" vorstellt. Derselbe hat auch den Abbruch einer Fährenreise auf dem Gewissen, weil er rumrennt und "Feueralarm! Die Fähre geht unter!" schreit.

Solche Pannen sind aber seit 20 Jahren nicht mehr vorgekommen. Heute sind es kleinere Vergehen, die nicht auf der Hall of Shame landen - jedoch trotzdem bestraft werden. Die Zu-bestrafenden werden vom hohen Gericht der Querflötistinnen zum ekligsten Shot verdonnert, den man aus den Zutaten im Bus zubereiten kann. Normalerweise, fast-schimmliges Toastbrot mit Likör.


Mir wurde auch ein Bild gezeigt, auf dem die Jungs des Orchesters in einer 15cm tiefen "Badewanne" sitzen, die sie aus einer wasserdichten Plane in der Dusche der Sauna gebastelt hatten. Insgesamt passt der lockere Umgang mit Nacktheit zu der schwedischen Kultur, von der ich aus diversen Ecken des Studentenlebens gehört habe.

Diese Gelassenheit gekoppelt mit dem offensichtlich vorhandenen Toilettenhumor passt mir irgendwie.



Und zum Schluss noch ein Video, bei dem ich als Cheerleader die Pom-poms schwinge:







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